23.07.2012 | Lenz |
WDVS - wirklich immer günstig?
Wärmedämmverbundsysteme sind seit einigen Jahren in aller Munde wenn es um eine energetische Sanierung des Eigenheims geht. Von den Herstellern werden Sie als Hocheffektiv, einfach aufzubauen und vor allem als kostengünstige Möglichkeit propagiert das Eigenheim energetisch für die Zukunft fit zu machen. Wirklich kostengünstig sind dabei allerdings nur die Systeme, die auf Basis von EPS (z.B. Styropor) oder XPS aufgebaut sind, da diese Stoffe in der Herstellung kostengünstig im großen Maßstab herzustellen sind. Allerdings ist die Umweltbilanz oben genannter Stoffe als sehr kritisch einzustufen, da große Mengen Energie Zur Herstellung aufgewendet werden müssen (Stichwort: „graue Energie“), als dies zum Beispiel für Holzfaserdämmplatten gilt. Nutzt man aber Wärmedämmverbundsysteme, die auf anderen Dämmmaterialien fußen, steigt mitunter der Preis um das 4fache und mehr an und wird so, oft aus ökonomischer Sicht durch die ermöglichten Einsparungen schwer zu rechtfertigen wenn nicht eine gehörige Portion Idealismus beim Bauherren dazu kommt. Aus diesem Grund werden sich alle Überlegungen im weiteren Verlauf dieses Artikels auch auf die meistgenutzte Variante der WDVS Dämmung auf EPS Basis beziehen.
Das Wärmedämmverbundsystem – Nachteile
Auch wenn in der Werbung teilweise anders propagiert, sind WDV-Systeme nur bedingt durch Laien selbstständig umsetzbar. Es erfordert reichlich knowhow um die Einzelkomponenten so zu verarbeiten, dass sie auch dauerhaft ihren Zweck erfüllen und keine Bauschäden an der Unterkonstruktion oder im Wohnbereich verursachen. So mancher Bauherr hat sich hier sein finanzielles Grab, aus der Intension heraus beim selber machen Geld zu sparen, geschaufelt.
Auch ist unter vielen Planern mittlerweile ein Glaubenskrieg über die optischen Qualitäten der neuen Fassaden entstanden. Sicher, ein klassisches Einfamilienhaus aus den 60er Jahren kann in fast jedem Fall optisch nur gewinnen, aber wie sieht es mit wunderbar verzierten Gebäuden aus Epochen wie Jugendstil (1900-1920) oder Art Deco (1930er Jahre) aus? Um eine technisch sinnvolle und problemlose Umsetzung einer WDVS Dämmung gewährleisten zu können, müssen alle aufgesetzten Verzierungen entfernt werden um dann im Ergebnis eine einfache, glatte Fassade zu erhalten. Gerade in historischen Innenstädten ein erstzunehmendes Problem.
Weitere Nachteile bei WDVS Dämmungen sind die oft schwer in den Griff zu bekommende Tauwasserkondensation auf der Außenhaut der Fassade und die damit einhergehende verstärkte Algen und Moosbildung auf diesen Flächen. Die Hersteller neigen seit einiger Zeit dazu einfach Herbizide in Putze und Farben einzuarbeiten, welche die Ausbreitung der Störenfriede aufhalten, oder zumindest verlangsamen soll. Problematisch hierbei ist allerdings, dass diese Mittel nach und nach von Regen und Taufeuchte ausgewaschen werden und in den angrenzenden Boden versickern. Hier lauern unter Umständen gesundheitliche Gefahren, die heute noch gar nicht genau absehbar sind, da Langzeitstudien noch immer fehlen.
WDVS Probleme bei unsachgemäßem Aufbau
Hauptproblem ist immer von außen eindringendes Wasser, welches nicht oder nur unzureichend wieder aus der WDVS Dämmung entweichen kann. Selbst kleine Risse können auf einer Wand auf der Wetterseite enorme Probleme verursachen. Risse entstehen zum einen immer dann, wenn noch aktive Setzrisse auf der alten Fassade übersehen wurden (bzw. neue Setzrisse durch Absenkungen entstehen) oder aber durch Spannungen auf der Dämmebene bei starken Temperaturunterschieden, da die kombinierten Baustoffe unterschiedliche Dehnungskoeffizienten haben. Darüber hinaus sind natürlich auch Verarbeitungsfehler des WDV-Systems an Dachanschlüssen eine häufige Fehlerquelle, die Wasser ins Innere der Dämmung leiten kann.
Ist erst einmal Feuchtigkeit in ausreichendem Maße in die Dämmebene eingedrungen und hat die Dämmplatten durchdrungen, vermindert sich die Dämmwirkung des Wärmedämmverbundsystems rapide, da die Luft in der Dämmung verdrängt wird und an dessen Stelle Wasser als guter Energieleiter tritt. Neben diesem Effekt kann die Feuchtigkeit auch in das Mauerwerk eindringen und bietet dann schnell im Inneren des Gebäudes Schimmelpilzen eine gute Grundlage zum Wachsen. Der Wohnkomfort sinkt rapide und unter Umständen drohen sogar gesundheitliche Probleme bei den Bewohnern. Spätestens an diesem Punkt hilft nur noch eine Totalsanierung nicht nur der WDVS Dämmung, sondern oft auch noch des Wohninnenraumes (je nach Ausmaß der Probleme), da eine nachträgliche Trocknung eines so mit Feuchtigkeit durchsetzten Wärmedämmverbundsystems meines Wissens nach technisch nicht möglich ist.
WDVS Probleme – Brandschutz
Auch wenn Wärmedämmverbundsysteme auf EPS Basis mit Flammhemmern behandelt wurden und nach DIN Schwerentflammbar (Branntklasse B1) sind, können große Probleme entstehen, wenn die gedämmte Fassade tatsächlich Feuer gefangen hat. Derzeit (2012) sind vom Gesetzgeber die Vorschriften bzgl. Brandschutz an Fassaden nur unzureichend geregelt, sodass auch die Hersteller keine Notwendigkeit sehen an der Sicherheit ihrer Bauelemente weiter zu arbeiten. Eine sehr interessante Sendung zu Problemen der WDVS Dämmung im Allgemeinen und der Brandschutzproblematik im Besonderen gibt es vom NDR vom 28.11.2011. Hier wird eindrucksvoll gezeigt was passiert wenn eine Fassade mit WDVS Dämmung tatsächlich anfängt zu brennen. Hier der Link zur Sendung: Wahnsinn Wärmedämmung.
Fazit zur WDVS Dämmung
Wärmedämmverbundsysteme haben durchaus Nachteile wie man gut sehen kann. Diese WDVS Probleme sind sicherlich nicht von der Hand zu weisen, sollten aber nicht dazu führen, dass gar keine Sanierungsmaßnahmen mit WDVS an Gebäuden mehr durchgeführt werden. Dies schon allein aus Mangel an echten (und günstigen) Alternativen zu WDVS. Werden Dämmmaßnahmen ordentlich und nach den Vorgaben der Hersteller mit aufeinander abgestimmten Systemkomponenten durchgeführt, leisten die Wärmedämmverbundsysteme durchaus einen guten Beitrag zur Reduzierung des Energieverbrauches. Ob dies am Ende tatsächliche 15% oder 25% der Heizkosten einspart, ist zwar immer noch ein vieldiskutiertes Thema, aber ich denke, wenn man die Fassadendämmung als Teil eines Gesamtkonzeptes zur energetischen Sanierung ansieht, in dem auch andere Komponenten (Fenster, Türen, alte Heizung etc.) ausgetauscht werden und darüber hinaus das eigene Heizverhalten (bei 25°C im T-Shirt vor dem Fernseher zu sitzen ist nicht wirklich nötig) anpasst, dann kann am Ende für den Verbraucher und für die Umwelt ein positiver Effekt erzielt werden.
Auch über die optischen Qualitäten der neuen Fassaden lässt sich sicherlich streiten und muss am Ende im Ermessen des jeweiligen Hausbesitzers stehen. Persönlich würde ich aber immer eine schöne alte Fassade erhalten und möglichst andere Wege suchen um eine verbesserte Dämmung zu erreichen. Heutige Häuser bieten im überwiegenden Teil aller Fälle sicherlich keine optischen Leckerbissen und kaum Liebe zum Detail, da erscheint es mir schade, wenn auch noch die wenigen schönen Fassaden nach und nach vom Straßenbild verschwinden würden. Leider gilt heute im Hausbau immer stärker der Leitsatz „Form follows funktion“. Kreativität hat hier nur wenig Platz. Das muss aber nicht sein und kostentechnisch sind andere Dämmmethoden (Innendämmung) durchaus auch bezahlbar, müssen aber leider noch stärker von Fachfirmen durchgeführt werden wie die Wärmedämmung von außen, wenn keine Probleme auftreten sollen.